Schwäbisches
Tagblatt vom 23. Januar 2003:
Bialas-Anfrage
zum Fall Jashari
KREIS TÜBINGEN. Gerhard
Bialas, Kreisrat von TüL/PDS, will in Erfahrung bringen, welche
Position der Tübinger Landrat Albrecht Kroymann und die Kreisverwaltung
zur Abschiebung der Familie Jashari im Dezember aus Kusterdingen in
den Kosovo eingenommen haben. Bialas fragt an, ob das Landratsamt bereit
ist, die Forderung nach Rückführung der Familie zu unterstützen.
Er richtet einen Appell an den Landrat: "Was werden Sie unternehmen,
damit derartige, Menschenrecht verletzende Maßnahmen in unserem
Landkreis unterbleiben?"
Leserbriefe
Ein
offener Brief und eine Empfehlung für den Neujahrsempfang an die
Tübinger Oberbürgermeisterin Brigitte Russ-Scherer.
»In die erste Sitzreihe«
Sehr geehrte Frau Russ-Scherer,
die Abschiebung der Kusterdinger Familie Jashari in den Kosovo war unmenschlich.
Die Verantwortlichen müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Die
Solidarität der Bevölkerung hat die Abschiebung der Kusterdinger
Familie Avdijajs aufgeschoben. Wo sind die Stimmen aus dem Rathaus und
der MdBs aus dem Wahlkreis? Menschenrechte dürfen nicht zu Gnadenakten
werden. Für die so genannte Verteidigung der Menschenrechte wurden
angeblich die letzten Kriege geführt, die hier dann vor Ort mit
Füßen getreten werden.
Ein jetzt organisierter Krieg
gegen den Irak wird nach Angaben der UNO mehr als eine Million Menschen
zu Flüchtlingen machen, von denen auch ein Teil nach Tübingen
vorübergehend verteilt und dann wieder abgeschoben wird.
Waffen werden. ausgiebig
hier produziert und allzuoft in Kriegsgebiete geliefert. Die beste Waffe
zur Verhinderung von Kriegsflüchtlingen ist die Verhinderung der
Krieges selbst - wie jetzt der Krieg gegen den Irak. Die 3000 Menschen
auf dem Holzmarkt am letzten Samstag haben dies eindrücklich zum
Ausdruck gebracht.
Auch die Stadt Tübingen
mit seiner Universität könnte jetzt schon eine Solidaritätsbrücke
zu den Menschen im Irak zum Beispiel durch Kulturaustausch bilden und
sich mit seinen zahlreichen Partnerstädten gegen diesen Krieg aussprechen,
wie es schon größere Städte in den USA getan haben.
Als Oberbürgermeisterin
dieser Stadt könnten Sie schon beim Neujahrsempfang im Rathaus
ein Zeichen einer neuen politischen Kultur setzen und anstelle einiger
so genannten Honoratioren, Titelträger oder Volksvertreter die
Familie Avdijajs in die erste Sitzreihe einladen und weitere Plätze
für die abgeschobene Familie Jashari als mahnendes Gedächtnis
freilassen.
Dies wäre ein mutiger
und würdiger Neujahrsempfang für das Jahr 2003 im Tübinger
Rathaus. Coragio Frau Russ-Scherer!
Henning Zierock, Tübingen,
Am Lustnauer Tor 4
Die
Gomaringer Familie Adjani soll nach Belgrad abgeschoben werden.
»So
ein Zirkus«
Und schon beginnt ein weiterer
Zirkus um eine Abschiebung, die schon längst hätte erfolgen
sollen: Wann wollen die da oben endlich wahrhaben, dass eine Abschiebung,
gerade auch bei Familien, um so schwerer durchzusetzen ist, und je länger
man duldet, duldet und nochmals duldet - so ein Zirkus ist doch unerträglich.
Ein Grundproblem hierbei
sind die so genannten Duldungen mitsamt Verlängerung, die immer
wieder erteilt werden, nachdem und obwohl die Asylanträge rechtskräftig
abgelehnt worden sind. In der Zeit leben sich die Leute gern ein, was
natürlich auch für Kinder gilt. Das ruft dann zu allem Überfluss
natürlich Linksintellektuelle auf den Plan, die glatt behaupten,
eine Abschiebung in die Herkunftsländer wäre nicht mehr zumutbar.
Diesbezüglich darf sich der Staat keinesfalls moralisch erpressen
lassen.
Ich habe nichts gegen diese
Familie, aber wir können doch nicht das Sozialamt für die
halbe Welt sein, wo soll denn das langfristig hinführen?
Allgemein möchte ich
bemerken, dass ich nie erkannt habe, weshalb wir wegen der NS-Zeit angeblich
eine besondere Verpflichtung haben sollten, Asyl zu gewähren. Konnten
etwa Landser an der Ostfront damals den Schrecken des Krieges entkommen
oder konnten Frauen und Kinder den Schrecken jenes barbarischen alliierten
Bombenterrors entkommen, indem sie irgendwo Asyl erlangten? Nein, sie
konnten es nicht, der Schrecken war furchtbar, und es gab kein Entkommen.
Deshalb entfällt doch jede Grundlage für eine besondere Verpflichtung
von uns Deutschen.
Vor vielen Jahren hat Herbert
Wehner innerhalb der SPD einmal sinngemäß geäußert,
dass man, wenn man das Asylproblem nicht lösen sollte, dafür
vom Wähler einmal noch hinweggefegt würde. Er hat leider nicht
Recht behalten; die Etablierten sind nicht hinweggefegt worden, obwohl
das Asylproblem nicht einmal im Ansatz gelöst ist.
Karl Hammer, Tübingen,
Alexanderstraße 36
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Texte zur Kusterdinger Weihnachtsabschiebung im Schwäbischen Tagblatt
am 24. Januar
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